„Die Spendensumme hat uns umgehauen“

ÜBERHERRN Daniel und Pferde – das ist keine Liebe auf den ersten Blick. Aber eine auf den zweiten. Daniel leidet unter einer Pferdehaar-Allergie, Höhenangst hat er auch, und dann weiß man ja auch nie, wie seine Haut auf neue Druckbelastungen reagieren wird. Und die wird’s geben. Denn wenn schon, denn schon. Wenn Daniel (20) das Geschenk einer Reittherapie annimmt, das ihm Petra Jenal, die Vorsitzende des Fördervereins „Ehrensache“ gemacht hat, dann will er auch in den Sattel. Am liebsten in einen Westernsattel, wie er ihn bei Nadjas geschecktem „Indianerpferd“ gesehen hat, als er das erste Mal auf dem Reiterhof in Altforweiler war. In Nadjas Painthorse-Hengst Coco hat sich Daniel sofort verguckt.
Seitdem hat er einen „Ansporn“, wiederzukommen, jeden Mittwochnachmittag. Und das, obwohl er bei seinem Antrittsbesuch im Juni das Jenal-Team mit den Worten verblüffte: „Pferde gehören eigentlich in die Wurst!“ Ja, so gerade heraus und offensiv ist der Daniel, das „Schmetterlingskind“, über dessen von Schmerz dominierten, schwierigen Alltag in Greimerath (Nähe Trier) die SZ im April berichtete. Danach überrollte eine immense Hilfswelle Daniel und dessen Mutter Marliese Masutt, denn für jede E-Mail, jedes per Post gesandte Geschenk, wollten die beiden sich persönlich bedanken. Unter den ersten, die Hilfe anboten, war auch Petra Jenal; sie stellte Daniel eine kostenlose Reittherapie in Aussicht, wie sie derzeit durch ihren Verein „Ehrensache“ für rund 30 kranke Kinder und Jugendliche finanziert wird. Unter ihnen ist Daniel das erste und einzige „Schmetterlingskind“. Daniel sitzt im Rollstuhl, kann sich nicht mehr gerade aufrichten, geht, wenn überhaupt, in Mini-Trippelschritten und hält sich dennoch auf einem Pferd?! Es ist schon famos, was das Jenal-Team nicht nur physisch, sondern auch mental bewirkt, hat und bewirkt
.„Die Chemie mit Frau Jenal stimmte sofort“, so begründet Marliese Masutt Daniels überraschende Selbstüberwindung. Denn nie zuvor saß der auf einem Pferderücken, kam vor 14 Jahren das erste und letzte Mal überhaupt in die Nähe eines Ponys, das war bei seinem Opa auf dem Bauernhof. Ergebnis: Allergie, Schmerzverschlimmerung, nie mehr wieder! Nun aber eben doch. Obwohl die erste Tuchfühlung mit dem Pferd in Altforweiler ziemlich aufregend war. Daniel musste Mundschutz und Schutzbrille tragen und nach der Therapiestunde alle Kleider wechseln, um jedes kleine Pferdehaar los zu werden. Außerdem bringt Daniel grundsätzlich eine „höllische Angst“ vor Stürzen mit. Sein Hilfe!-Alarm!-Gesicht spricht Bände, wenn ihn die Therapeutinnen Nadja und Jenny im Rollstuhl die Aufstiegsrampe hoch schieben, dicht heran an die Haflingerstute Jara. Wirklich geheuer ist die ihm noch nicht. Immerhin hat er sie schon mal dichter gespürt, saß auf einem Gel-Reitkissen, mit seitlicher Beinhaltung. Würde er es jemals bis zur klassischen gespreizten Reitposition bringen? Böse Druckwunden drohen. Doch vergangene Woche schaffte Daniel selbst das, es ging sogar raus aus der Halle ins Gelände. Die Muskeln riefen „hallo“. „Allein nur mal auf dem Pferd zu sitzen, ist schon Therapie“, sagt Nadja Frey, die Daniel zusammen mit Jenny Jakobs betreut. Denn Daniel muss auf dem Pferderücken eine für ihn ungewohnte Körperhaltung einnehmen. Das langfristige Ziel der Reittherapie: „Er soll mobiler werden und sich besser fühlen. Was wir anstreben, ist ein Aufbau, für die Beine – und für die Psyche“, sagen Jenny und Nadja. Daniels Stimmung hat sich in den letzten Wochen aufgehellt, nicht nur wegen der Besuche in Altforweiler, sondern auch, weil sich bei seinem Hobby Angeln Positives getan hat. Er fand Kontakt zu einem jungen Pärchen aus Besseringen, das ihn an die Saar mitnimmt, zudem darf er an einem privaten Weiher in Föhren bei Trier nun jederzeit angeln und hat schon zwei Riesen-Störe gefangen. Durch den Artikel in der Saarbrücker Zeitung sei „viel in Gang gekommen“, sagt Daniels Mutter. Unmittelbar nach Erscheinen duckte Daniel sich allerdings erst mal weg vor den Menschen. „Ich habe mich riesig gefreut“, sagt er, „aber es war eine Überforderung.“
Und dann kam auch noch der Anruf, der Klarheit brachte, wie viel Geld auf dem von der SZ auf Wunsch der Leser eingerichteten Spendenkonto von „Hilf mit“ eingegangen ist. Der Stand heute: 42 343 Euro. „Das haut mich aus den Socken“, so die Reaktion von Marliese Masutt. „Es ist eine unfassbare Summe“. Weil die beiden aufstockend auf staatliche Unterstützung angewiesen sind und reine Geld-Geschenke darauf angerechnet werden, schränkt dies das „Wünsch dir was“ der beiden ein. Geplant ist der Kauf eines neuen Autos mit einer endlich genügend großen Rollstuhl- Rampe, das „Hilf Mit“ den beiden zur Nutzung zur Verfügung stellt.
Sollte dann noch etwas übrig bleiben, denken Masutts an die Anschaffung einer höhenverstellbaren Badewanne für die mehrstündige Badeprozedur, bei der der Schorf von den Wunden entfernt wird. Bisher müssen die Pflegerinnen des Trierer Kinderintensivpflegedienstes Nestwärme, die Daniel seit seiner Geburt begleiten und von denen mittlerweile ein Teil um die 50 Jahre alt ist, ihre Arbeit kniend bewältigen – ein Knochenjob. Für Daniel Turbo-Stress, Woche für Woche. Obwohl es ihm gesundheitlich gar nicht so gut geht, wirkt er beim Treffen in Altforweiler gelöst. Die ländliche Atmosphäre, der muntere, vertraute Umgangston machen ihm Laune. „Egal, welches Handicap, hier arrangiert sich alles“, sagt die „Ehrensache“- Chefin Jenal.
2010 gründete sie den Förderverein. Sie startete mit zwei Pferden, einer Therapeutin und 19 Kindern, heute sind sechs Therapeutinnen an sieben Tagen die Woche im Einsatz, und Jenal ist „voll berufstätig“, wie sie sagt – ehrenamtlich. Ihr Motto, mit dem sie auch Daniel überzeugte: „Es ist alles einen Versuch wert. Im Vorfeld sagen, es geht nicht, das gibt’s bei uns nicht.“ So gesehen lässt sich nicht ausschließen, dass Daniel irgendwann „das Glück der Erde“ findet, das angeblich auf dem Rücken der Pferde liegt. Bis dahin tut’sauch schlichter Spaß, in Jenals Reiterhof-Familie.